DroLeg Übersicht Für eine vernünftige Drogenpolitik

Kontrollierte Legalisierung für eine vernünftige Drogenpolitik!
von Renato Maurer

Bei vielen Fachleuten ist die Einsicht gewachsen, dass die Drogenprohibition nicht nur nichts nützt, sondern sogar beträchtlichen und unnötigen Schaden anrichtet. Eine Legalisierung mit einem staatlich kontrollierten Betäubungsmittelmonopol ist ein vernünftiger Mittelweg zwischen dem Drogenverbot und einer totalen Drogenfreigabe.

Seit Beginn der 80er-Jahre engagierte sich in der Schweiz eine wachsende Zahl von Fachleuten und Betroffenen für eine menschlichere, weniger repressive Drogenpolitik. In zäher Kleinarbeit gelang es, einige Fortschritte zu erzielen. Insbesondere wurde die sogenannte Überlebenshilfe (Spritzenabgabe, Injektionsräume, Gassenarbeit etc.) gegen grosse Widerstände allmählich etabliert; nicht zuletzt durch den Schock der AIDS-Problematik. Trotzdem blieben die Fortschritte marginal, die «offenen Drogenszenen» in den Städten wie auch die wachsende Repression gegen Hanfkonsumierende führten vor Augen, dass die Prohibition als solches wirkliche Verbesserungen verunmöglichte.

Das Instrument der direkten Demokratie in der Schweiz (Volksinitiative) bot sich an, um einen qualitativen Sprung in der drogenpolitischen Diskussion zu bewirken. Das Verbot einzelner Substanzen als solches sollte breit hinterfragt und diskutiert werden.

Der Drogenkrieg ist der falsche Weg

In der öffentlichen, drogenpolitischen Diskussion wird immer noch vor allem zwischen legalen und illegalen Substanzen unterschieden. Rein vom Suchtpotential oder von der Wirkung und Schädlichkeit der Stoffe her gesehen macht diese Unterscheidung keinen Sinn. Die Tragweite möglicher Folgen des verbotenen Drogenkonsums (Lehrstellenverlust, Familienkrise, Stigmatisierung, Krimmalisierung) ist aber insbesondere für Jugendliche bedeutend und leider allzuoft schädlicher als der Konsum selbst.
Der «Krieg gegen Drogen» ist eigentlich immer vor allem ein Krieg gegen die Drogenkonsumierenden und gegen die produzierenden Kleinbauern. Unter dem massiven Einfluss amerikanischer «Experten» beharren die UNO und immer noch viele Regierungen auf einer überwiegend repressiven Drogenpolitik, obwohl diese ihre Ziele massiv verfehlt hat. Der Drogenhandel kann nicht wirksam bekämpft, der Zugang zu Drogen nicht unterbunden und die Zahl der Drogenkonsumierenden nicht reduziert werden - im Gegenteil. Immerhin wächst die Opposition gegen die Prohibitionspolitik auch international rasant.

Einnahmen statt sinnlose Ausgaben

Die jährlichen Ausgaben (allein in der Schweiz über 500 Millionen Franken pro Jahr) für die Drogenbekämpfung sind weitgehend verschleuderte Steuergelder oder dienen ganz anderen, politisch-wirtschaftlichen Interessen. Die Legalisierung verursacht nicht nur viel weniger Kosten, sondern ermöglicht sogar Steuereinnahmen. Sie verhindert, dass weiterhin unversteuerte Milliardengewinne für das organisierte Verbrechen anfallen. Diese führen - gewaschen und in legale Unternehmen investiert - zu einer gefährlichen Unterwanderung von Staat und Wirtschaft. Die Willkür bei der Behandlung der verschiedenen Drogen und deren Konsumenten kann nicht länger hingenommen werden. Die Legalisierung beendet die Rechtsungleichheit im Umgang mit legalen und illegalen Drogen und erleichtert eine ehrlichere und glaubwürdige Prävention.
Eine menschenwürdige Drogenpolitik überlässt die Qualitätskontrolle, die Preispolitik und den Jugendschutz nicht der Drogenmafia, sondern kümmert sich um die Gesundheit der Drogenkonsumierenden, das Wohl ihrer Angehörigen und damit auch um die Volksgesundheit. Das Hauptziel muss sein, einen legalen Zugang zu den entsprechenden Substanzen zu schaffen. Die gesundheitlichen Risiken können dadurch reduziert werden, dem Schwarzmarkt wird der Boden entzogen, die Beschaffungskriminalität fällt weg und die individuellen und gesellschaftlichen Belastungen werden deutlich reduziert!

Weshalb ein Rückzug nicht in Frage kam

Von verschiedenen Seiten (NZZ, BAG, AG Drogenpolitik der Bundesratsparteien, SAH, u.a.) wurde nach der «Jugend ohne Drogen» (JoD) - Abstimmung die Diskussion um einen möglichen Rückzug der DroLeg-Initiative lanciert. Eine gut besuchte Vollversammlung der Droleg kurz nach der JoD-Abstimmung diskutierte ausführlich über die verschiedenen Optionen. Das Resultat war überraschend eindeutig: Die Anwesenden waren sich einig, dass ein möglicher Rückzug unserer Initiative nicht tabu ist, aber von echten und verbindlichen Schritten in Richtung unserer Initiative abhängt. Aber solche sind auch beim besten Willen kaum absehbar, nicht einmal in Bezug auf den Hanf.
Beim Wunsch nach Rückzug waren v.a. zwei Motive erkennbar: Einerseits die Angst vor einer krassen Ablehnung, welche Fortschritte der letzten Jahre zunichte machen könnte und andererseits die Befürchtung, dass um die JoD-Abstimmung entstandene Koalitionen auseinander brechen könnten. In gemeinsamen Sitzungen mit den Gegenparteien fielen auch Sätze wie: «Ihr habt ja sowieso keine Chance, also schenken wir uns doch gegenseitig den Aufwand für die Kampagnen ... »
Gehen wir nochmals zurück, in den September 1997 und damit zur Abstimmung über «Jugend ohne Drogen». Trotz vielerorts geäusserter Befürchtungen drogenpolitischer ExpertInnen vor dieser Abstimmung, war - wie wir alle wissen - das Resultat ganz eindeutig: Klare Ablehnung mit über 70:30 Prozent und keine Spur von einem Röstigraben.
Wieviele dieser ablehnenden Stimmen aber die DroLeg-Initiative unterstützen werden - darüber kann momentan nur spekuliert werden. Dazu folgendes Gedanken-Spiel: Nehmen wir mal pessimistisch an, die Initiative für eine vernünftige Drogenpolitik würde mit 40:60 Prozent abgelehnt, was würde dies bedeuten? Dass 30 Prozent einen repressiven Weg gehen möchten und 40 Prozent einen legalen - womit auch nur 30 Prozent der Stimmberechtigten bleiben, die die momentane bundesrätliche Drogenpolitik unterstützen.

Ein Legalisierungsmodell

Gemäss Initiativtext muss der Bund im Falle einer Annahme der Initiative innert drei Jahren eine Ausführungsgesetzgebung erlassen. Dabei sind die zuständigen Behörden zwar an den Text der Initiative gebunden; nicht aber an die Vorstellungen und Vorschläge der DroLeg oder anderer Organisationen. Die folgenden Überlegungen sollen daher nicht mehr, als mögliche konkrete Wege einer Legalisierung aufzeigen.
Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) in seiner heutigen Form sollte abgelöst werden. Als Folge müsste das Heilmittelgesetz angepasst werden; nicht zuletzt auch, weil die medizinisch-therapeutische Verwendung einiger Substanzen möglich sein soll. Ein besonderes Augenmerk wird auf die Übergangszeit zu richten sein. Nach Jahrzehnten der Prohibition wird es eine gewisse Zeit bis zu einer Normalisierung brauchen.

Die einzelnen Substanzen

Für den Initiativtext mussten wir den bestehenden Begriff «Betäubungsmittel» verwenden, so fragwürdig er in der Praxis auch ist. Nicht für alle Substanzen dieser Liste sollen genauere Ausführungsbestimmungen geschaffen werden; ein grosser Teil der darin aufgeführten Stoffe hat in der Praxis wenig oder überhaupt keine Bedeutung. Diese können ins Heilmittelgesetz (allenfalls auch in ein Genussmittelgesetz) aufgenommen werden oder ganz fallengelassen werden.
Eine grössere Nachfrage über längere Zeit soll als wichtigstes Kriterium dienen für die Wahl der Substanzen, bei welchen eine genauere Regelung von Produktion, Handel und Verkauf notwendig ist. Gegenwärtig würde dies zumindest folgende Substanzen betreffen: Kokain, Heroin, Methadon, LSD, MDMA (Extasy) und seine Derivate, psilocybinhaltige Pilze und Hanf/ Cannabis. Eine Liste der konzessionierbaren Substanzen wird vom BAG erstellt und bei Bedarf nachgeführt.

Produktion und Handel

Der Bund erteilt Konzessionen für Produktion und Handel mit den entsprechenden Auflagen (Qualität, Produkteinformation, etc.). MDMA und LSD können problemlos in der Schweiz hergestellt werden, ebenso Methadon. Beim Hanf kann der einheimische Anbau einen grossen Teil der Nachfrage abdecken. Ganz ähnlich ist es mit den psilocybinhaltigen Pilzen. Anders verhält es sich mit der Rohstoffbeschaffung für Kokain und Opiate, welche in der Schweiz kaum produziert werden können. Immerhin gibt es (v.a. für medizinische und Forschungszwecke) auch einen legalen Rohstoffmarkt, welcher sogar ausgebaut werden soll. Entsprechende Verhandlungen müssen von den zuständigen Behörden geführt werden.

Verkauf in speziellen Geschäften...

Wir plädieren für eine teilweise Differenzierung zwischen den verschiedenen Stoffen. Hanfprodukte gehören eigentlich heute schon nicht ins BtMG. Die momentane Situation zeigt bereits einen möglichen sinnvollen Weg: Hanfläden, Ökoshops, Coffeeshops u.ä. sollen Verkaufsstellen werden. Die Konzession kann sich auf die Einhaltung des Werbeverbotes, sowie auf die Besteuerungspflicht beschränken. Eine Ausweispflicht würde den Jugendschutz gewährleisten und den rechtmässigen Bezug «für nur in der Schweiz wohnhafte Personen» sicherstellen.
Für psychedelische Substanzen wie LSD, MDMA und psilocybinhaltige Pilze könnte eine vergleichbare, aber eigenständige Lösung getroffen werden (spezifische Verkaufsstellen). Wichtig ist hier die Produkteinformation (Risiken und Nebenwirkungen ... ) sowie die Beratung bezüglich Set und Setting, also die inneren und äusseren Bedingungen, welche den Konsum positiv oder negativ beeinflussen können.

... oder in Apotheken

Für alle anderen Substanzen sehen wir Apotheken als mögliche konzessionierbare Verkaufsstellen. Für den Kauf von Kokain, Heroin oder Methadon (evtl. auch für LSD und MDMA als Alternative zum oben genannten Vorschlag) ist eine elektronische Karte Voraussetzung. Diese kann nur bei konzessionierten und speziell geschulten Fachleuten aus dem medizinischen, sozialen oder psychologischen Bereich bezogen werden. Drogenberatungsstellen wären für die Kartenabgabe prädestiniert. Mindestens ein persönliches Gespräch muss dem Kartenbezug vorausgehen; dieses soll eine präventive Wirkung im Sinn einer Schadensminimierung haben. Motive, Risiken und weitere Informationen sollen dabei offen angesprochen werden. Der Kartenbezug und das dazugehörige Gespräch sind kostenneutral zu organisieren, d.h. die Karte muss gekauft werden. Die technische Ausgestaltung soll einerseits Anonymität beim Bezug garantieren (Datenschutz). Andererseits müssen Missbräuche (Diebstahl, etc.) oder der Bezug von 2 oder mehreren Karten ausgeschlossen sein. Die Karte begrenzt die mögliche Bezugsdosis. Die Grenzen sollen stoffspezifisch so festgelegt werden, dass einerseits möglichen Konsumbedürfnissen Rechnung getragen wird, andererseits aber der Missbrauch durch Handel eng begrenzt wird.

Jugendschutz

Die Altersgrenze soll für den Hanf 16 Jahre betragen. Ebenfalls ab 16 soll der Kauf von MDMA möglich sein, allerdings bis 18 Jahre mit einer noch weiter eingeschränkten Bezugsmenge. Für alle anderen Substanzen gilt eine Altersgrenze von 18 Jahren.

Prävention

An allen Verkaufstellen muss eine seriöse Produkteinformation gewährleistet sein: Hauptwirkungen, Risiken und Nebenwirkungen, Dosis, risikoarme Konsumformen etc. Dem persönlichen Gespräch beim Kartenbezug kommt eine wichtige Bedeutung auch in präventiver Hinsicht zu. Insbesondere sind auch persönliche Dispositionen mit möglichen Risiken anzusprechen.
Im Bereiche der professionellen Fachstellen werden neue Aspekte wichtig und nach einer Legalisierung auch möglich: Das Vermitteln von vernünftigen, risikoarmen, rituellen Konsumformen, im Gegensatz zum heute dominanten, unreflektierten Konsumismus, welcher sich schnell zu suchtartigem Konsum entwickeln kann. Dazu kann beispielsweise Information nicht nur zum Produkt als solchem, sondern auch zu Set und Setting gehören.

Repression und medizinische Versorgung

Sanktionen braucht es auch nach einer Legalisierung. Sie trifft aber nicht mehr in erster Linie die Konsumierenden und sie darf keinen grösseren Schwarzmarkt mehr provozieren. Unberechtigter Handel (Konzession) und Verkauf an Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz oder an Minderjährige, sowie Kartenmissbrauch führen zu Sanktionen. In der Übergangszeit ist ein besonderes Augenmerk auf die heutigen mafiosen Strukturen und die Geldwäscherei zu richten.
Massive Suchtprobleme sind ein soziales und medizinisches Problem; entsprechend müssen Hilfe und Betreuung gewährleistet sein, so wie heute schon z. B. bei massiven Alkoholproblemen.

Wir haben ein Suchtproblem und nicht ein Drogenproblem

In der Auseinandersetzung mit dem Phänomen Sucht wird klar, dass nicht ein Stoff (eben z.B. die Drogen) das eigentliche Problem ist, sondern dass mit Stoffen, Tätigkeiten und anderem ein Suchtverhalten entwickelt werden kann.
Wer ab und zu z.B. im Kino sitzt und die mittlerweile aufwendig und clever gemachten Werbe-Spots anschaut, sieht einen Aspekt der wirklichen Probleme. Du möchtest dabei sein? Kauf dies. Du willst feiern? Trink das. Du willst glücklich sein, etwas erleben? Kein Problem: Kauf dir ein Abenteuer...
In der Beschäftigung mit dem Konsum rauscherzeugender Pflanzen oder Pillen richtet sich die Aufmerksamkeit häufig auf alle möglichen negativen Voraussetzungen: Wer «Drogen nimmt» hat ganz bestimmt «wahnsinnige Probleme» oder «einfach zuviel Stress». Vor allem in der Zeit des Ausprobierens wird dabei ein oft wichtiges Motiv übersehen: die Sehnsucht. Wohl alle kennen tiefe, ursprüngliche Sehnsüchte danach, glücklich zu sein. Das Sehnen nach dem Paradies oder einem Weg dorthin; die Sehnsucht nach Heimat, nach Ferne, Geborgenheit, Freundschaft, Tod, Liebe, nach Abenteuer oder Frieden.
Diese Sehnsüchte finden im Alltag wenig Entsprechung und so werden konsumierbare Alternativen wichtiger: Träumen im Kino, Weinen beim Lesen, Verschmelzen im Ecstasy-Rausch, Action dank Alkohol. Die Auseinandersetzung mit dem Spannungsfeld zwischen menschlichen Sehnsüchten und der gesellschaftlichen Realitat, mit den vielfältigen Aspekten dessen, was wirkliche Lebensfreude ausmacht oder eben verhindert, führt wesentlich näher an die wirklichen Probleme, als das willkürliche Verbot einzelner Substanzen.

Wir haben kein Drogenproblem, wir haben ein Konsum- und ein Suchtproblem. Und nicht nur die Jugendlichen.


Renato Maurer; ausgebildeter Lehrer, 81-85 Gassenarbeiter in Biel. Seit 86 freischaffend als Kurs- und Projektleiter, u.a. in der Sucht- und Gewaltprävention. Mitglied der DroLeg-Geschäftsleitung.

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Dieser Artikel erschien im «SuchtMagazin» 5/98, Ramsteinerstr. 20, 4052 Basel, 061 - 312 49 00
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Copyright © 1998 R.M. / DroLeg
[ Letzte Aktualisierung 26.10.98 / hf ]